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Damit mit der Kollegin nicht auch ihr Knowhow geht – Knowhow-Transfer 1/2

Es ist für eine Organisation ein Gewinn, ihr Knowhow systematisch zu pflegen. Er ist noch grösser, ist sie sich dabei bewusst, dass es nicht nur um Wissen, sondern auch um personengebundenes Knowhow geht, sowie um dessen Transfer, wenn jemand geht. Sich um diesen Transfer zu kümmern, ist ein Mehrwert sowohl für die Organisation wie auch für Nachfolgende und Abtretende. Wie Knowhow-Transfer funktioniert, beleuchtet das Folgende.  

Als der sehr langjährige Grossspende-Fundraiser kündigte, war in seiner Organisation allen klar, sein Knowhow und Netzwerk muss zurückbehalten und also eine Nachfolge rasch gefunden werden. Es ging um pures Gold. Und es wurde ein veritables Programm für die Übergabe zusammengestellt und alles drangesetzt, einen Einbruch zu vermeiden. Ganz anders dagegen als in einer anderen NGO die erfahrene Campaignerin gehen musste: Es gab einen Apero sowie eine Lücke, bis ein paar Monate später ein Nachfolger nachfolgte, der die Kampagne neu aufsetzte – als ob Lehren aus der bisherigen Kampagne, auch wenn sie nur suboptimal lief, nicht auch Gold wert wären.  

Natürlich gibt es zahlreiche Fälle von Wechseln, die kein Übergabeprogramm brauchen. Etwa dann, wenn keine organisationspezifischen Kompetenzen im Spiel sind, also für Jobs, für die man auf dem Arbeitsmarkt die nötigen Fähigkeiten findet. So genügt für einen Wechsel in der IT in der Regel ein standardisierter Austrittsprozess: Dokumente geordnet ablegen, Datenbank nachführen, dafür sorgen, dass es etwas Überlappungszeit mit der Nachfolge gibt. Geht das nicht, amtet die Vorgesetzte als ‘Zwischenlager’: Übernimmt von der Austretenden, übergibt an den Nachfolger. Das ist Teil des Wissensmanagements.  

Welches Knowhow? 

Doch bei einem Wechsel z.B. im Kommunikationsteam braucht dieser Prozess den Zusatzpunkt, organisationspezifisches Knowhow zu sichern, wie etwa Medienkontakte oder das Können, Alleinstellungs-Stories gut zu tellen. Noch mehr getan werden muss beim Austritt zentraler Knowhow-Tragenden, wie etwa der erwähnte Fundraiser. In solchen Fällen braucht es mehr als den Standard und diesen Zusatzpunkt, um zu vermeiden, dass mit der Person zu viel Knowhow geht. Dieses ist umso wichtiger, je näher ihre Aufgaben am Kern der Organisation sind und je länger sie den Job machte. Doch was nun tun bei solchen Abgängen? 

Einerseits ebenfalls das Standardmässige: Wissensmanagement ist immer wichtig. Andererseits nicht ausreichend für den Transfer, weil wesentliche Teile des Könnens an die Person gebunden sind. Oft ist das unbewusst. Zum Beispiel könnte der Erfolg des Fundraisers auf dessen nicht explizit bewussten Fähigkeit beruhen, zu Grossspender:innen eine echte Beziehung aufbauen zu können. Und dann ist die Übergabe mit einer nachgeführten Datenbank und einer Liste der Kontakte natürlich nicht getan.  

Wichtiges Knowhow ist auch oft in Alltagsroutinen versteckt, etwa darin, wie ein Routinier intuitiv entscheidet, was er liest und was nicht oder welche Kontakte er wie pflegt usw. Ein nicht explizites Knowhow könnte auch sein, dass die bald in Pension gehende Führungsperson, die über die Jahre hinweg ein Gefühl für die Organisationskultur entwickelt hat, intuitiv weiss, was geht und was nicht. 

  Welcher Prozess? 

Solche Schätze zu bergen, ist die Kunst des Transfers personengebundenen Knowhows. Weitergeben kann man natürlich nie alles, aber einiges. Doch bevor man bergen kann, muss man den Schatz erkennen. Dafür braucht es ein strukturell verankertes Verfahren mit folgenden Elementen: 

  • Ein ‘Frühmeldesystem’, mit dem früh festgestellt werden kann, wenn jemand geht, ob die Person Knowhow-tragend und/oder langjährig Mitarbeitende ist 
  • Und falls ja, relevantes Knowhow ‘mappen’ [1] und zusammen Spreu vom Weizen trennen (wobei “zusammen” das Team einschliesst [2]) und geeignete Transfer-Methoden einsetzen, damit die nachfolgende Person gut ins Knowhow wachsen kann.  
    (Und falls nein, genügt das Standardaustrittsverfahren). 

Der ideale Fall 

Der ist dann der Fall, wenn die austretende Person mit viel Vorlauf und im Guten geht und mit ihrem Team Folgendes vorbereitet wird (Vorlagen siehe Kasten «nützliche Dokumente»): 

  1. Hauptpersonen auf ihre Rollen. Für Nachfolgende kann dies mit einer Selbstlern-Sequenz geschehen, die sie zu einer Schwammhaltung führt: Aufsaugen, was gezeigt, gemacht, gesagt und erklärt wird. Später wird Zeit sein, auszusortieren, was nicht passt. Und für die Austretenden zum Beispiel mittels eines umfassenderen Workshops; bei ihnen braucht es mehr. 
  1. Liste der Aufgaben: In einer Liste die Arbeitsbereiche bzw. –Pakete mit den Hauptaktivitäten erfassen und mit den entsprechenden und abgelegten Dokumenten verlinken  
  1. Knowhow erfassen: Mit einem Mapping das weitere, auch verborgene oder nicht offensichtliche Knowhow aufspüren und festhalten.  
  1. Der Liste und dem Mapping wird das “Gapping” des Nachfolgers gegenübergestellt: Welche Lücken hat er, die primär geschlossen werden müssten? Was deckt er schon ab? Mit dem Resultat einer Priorisierung für den Transfer.   
  1. Netzwerkübergabe: Internes wie externes Netzwerk nach Relevanz ordnen und die Übergabe planen (und nicht nur Name und E-Mail-Adresse angeben). 
  1. Nicht Offensichtliches: Organisationskulturelles Wissen explorieren und erfassen (bei langjährigen Mitarbeitenden in allen Bereichen), und entscheiden, was transferieren oder in der Organisation zurückbehalten. 

 
Bei jedem Schritt ist entscheidend, klug zu entscheiden, was relevant ist und was nicht weiterverfolgt wird. Die Frage, wie entscheidet wer und warum, was künftig von Relevanz sein wird, ist ebenso zentral wie schwierig zu beantworten. Tugendhaft sind deshalb jene NGOs, die das vorhandene Knowhow bewusst pflegen und dafür sorgen, dass mit Mentoring und Stellvertretungen Wichtiges auf mehrere Personen verteilt wird. Wie auch immer “Relevanz” entschieden wird, zwei Aspekte gilt es dabei im Auge zu behalten: 

(a) dass die Austretenden ihr Knowhow nicht direktiv weitergeben, sondern eine Mentorin-Haltung einnehmen und dem Nachfolger so ermöglichen, in die Rolle hineinzuwachsen. Wem das nicht gegeben ist, kann ‘Mentoring’ lernen – und hätte gerade ein praktisches Übungsfeld (mehr dazu hier).  

(b) ihm Zeit und die Unterstützung des Teams geben, das Übergebene zu erfassen, auszuprobieren und zu verdauen.  

Dabei muss nicht jede Übergabe lange dauern, es kommt auf den Fall an. Manchmal kann man auch kurzen Prozess machen. Er soll jedoch stets bewusst und strukturiert sein. Jedenfalls genügt es für einen Transfer nicht, die Ablage auf dem Server zu zeigen und zu sagen: “Schau dir das mal an und frage, wenn etwas nicht klar ist”. Die neu eingetretene Person ist damit in der Regel überwältigt, weil sie noch kein Orientierungssystem hat und die Informationen nicht verorten kann, weil die allermeisten Menschen nicht ‘by hearing’, sondern ‘by doing’ lernen sowie by Auseinandersetzung mit anderen Menschen. Transfer ist ein Lernprozess. 

Wie transferieren – welche Methoden? 

Deshalb enthält eine gute Übergabe möglichst viele Einübungssequenzen, sei es begleitetes Üben, Trainingseinheiten oder Job-Shadowing. Um solche Lerngelegenheiten zu organisieren, braucht es den oben erwähnten Prozess mit einem – oft mehrstufigen – Mapping des Knowhows als Kern. Solches Tun nützt freilich nichts, wenn das Relevante nicht tatsächlich transferiert wird. Wenn also die Campaignerin den lokalen Ölmulti zur Raison gebracht hat, weil sie gut zuhören kann und dadurch eine Lösung mit ihm aushandeln konnte, nützt es nicht viel zu sagen, gutes Campaigning heisst gut zuhören können. Ihre Zuhörgabe kann sie nicht einfach so weitergeben. Wenn aber der Nachfolger eine Gelegenheit bekommt, sie beispielsweise bei einer Verhandlung zu beobachten, kann er Zugang zu dieser Gabe finden. 

Für den Transferprozess können verschiedene Methoden eingesetzt werden, neben Shadowing oder Training, ist eine Serie von Interviews eine weitere: Der Nachfolger fragt die Austretende das, was seinen Lernbedürfnissen entspricht – die sich teils erst im Laufe der Übergabe entwickeln. Hilfreich ist dabei, drei Arten von Knowhow zu unterscheiden: 1. Sachkompetenzen – das Wissen. 2. Methodenkompetenz – die Fähigkeit, Wissen anzuwenden. 3. Sozialkompetenzen – die ‘nötigen’ Soft Skills, mit welchen dieses Anwenden wie gewünscht wirkt.  

Nota bene: Geht die Austretende im Guten, ist sie oft zu einem Mentoring nach dem Austritt bereit. Sie muss nur gefragt werden und der Nachfolger bereit sein, die Mentoring-Sitzungen zu organisieren, also z.B. einmal im Monat zu zoomen und über die Herausforderungen zu sprechen. 

Der häufige reale Fall  

Ist der kurzfristige: Gestern gekündigt, heute stellt man fest, dass nach Abzug der Ferientage und der Überzeit, noch eine Woche zum Aufräumen und Übergeben bleibt. Hat man nun den Idealfall im Hinterkopf, kann vermieden werden, dass nur das Minimale getan wird, nämlich: In der Ablage ablegen und das Abgelegte in zwei Stunden dem Nachfolger zeigen. Es ist möglich, aufwandsarm recht viel mehr zu gewinnen. Zum Beispiel kann mit einem fokussierten Interview das Wichtigste aus Sicht der Abgängerin fest- und dadurch zurückbehalten werden (Vorlage siehe Kasten).  

Und damit der Nachfolger ansonsten guten Boden in der Organisation findet, sind ausserdem zwei Supportmassnahmen für das ‘Onboarding’, das auch viel Transferlernen beinhaltet, empfehlenswert:  

  1. Peer-Learning: Mit einem zweiten Newcomer ein Peer-Buddy-Paar während ein paar Monate eingehen, um das viele Neue gemeinsam zu verdauen, was das Verdauen erleichtert und verbessert.  
  1. Onboarding-Buddy: Eine langjährige Mitarbeiterin hilft als Guide, dass sich Newcomers rasch und besser in der Organisation zurechtfinden.  

PS: Neben der Übergabe an die Nachfolge gibt es mit den intra- und inter-organisationalen Transfers noch einen weiteren wichtigen Aspekt der Knowhow-Pflege. Ein Beispiel wäre etwa die gute Coaching-Praxis des einen Teams über weitere Teams zu verbreiten oder das erfolgreiche Public Fundraising des einen Büros auf ein anderes zu übertragen – das geht nie 1:1, kann aber – kulturell angepasst – verhindern, das bereits erfundene Räder nochmals oder parallel erfunden werden. Hierfür ist das Shadowing – das eine Art Kurz- und Intensivpraktikum ist, besonders geeignet – mehr dazu in einer nächsten Kolumne. 

  


Nützliche Dokumente  

 [1] Mit Frühmeldesystem ist gemeint, dass voraussehbare Abgänge wie Pensionierung, temporäre Verträge oder Outsourcing früh geplant werden. Und Mapping meint, dass einerseits die Kompetenzen und das Wissen gemäss der entsprechenden Job Description erfasst und durch Knowhow-Tragende und Team ergänzt werden (mithin braucht es Anpassungen der JD).  
 
[2] Sich gemeinsam klar zu werden, was Spreu und was Weizen ist, beinhaltet den wichtigen Entscheid, was von Relevanz ist. Dabei ist mit ‘zusammen’ die beiden Hauptpersonen, aber auch das Team, der Kreis und auch die Organisation gemeint. Zentral sind die Fragen: Welches Knowhow ist (fast) nur intern lernbar? Welches Knowhow ist auch für andere relevant und soll deshalb auf mehrere Tragende verteilt werden? 

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