Wissen ist für alle dienstleistungsorientierten Organisationen – und dies gilt für die meisten NPO – der zentrale Produktionsfaktor. Die wenigsten NPO stellen materielle Güter her, vielmehr erbringen Sie für Ihre Leistungsempfänger Dienstleistungen in den verschiedensten Formen. Zu deren Erstellung ist Wissen der zentrale Produktionsfaktor. Beispiel: ohne fundiertes Wissen über meine Berufsbranche kann ich keine Gesamtarbeitsverträge aushandeln oder eine Beratung für das Mitglied anbieten.
Die Wissensgesellschaft
Die Bedeutung von Wissen hat sich mit der stattfindenen vierten Industriellen Revolution[1] nochmals verstärkt. Daraus folgt, dass wir uns in unseren Organsiationen in einer Wissensgesellschaft[2] noch stärker mit dem Thema Wissensarbeit beschäftigen müssen als bisher. Weiter hat sich mit dieser Entwicklung die Halbwertszeit des Wissens[3] verringert. Dabei handelt es sich um die Zeitspanne, in der […] erworbenes Wissen zeitgemäss und in der Praxis anwendbar bleibt.
Daraus folgert, dass Menschen und Organisationen ihr Wissen laufend erneuern müssen, um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Gleichzeitig und paradoxerweise, wird Wissen auch zur knappen Ressource. Durch die vorherrschende Daten- und Informationsflut wird es schwierig, diese Inhalte zu bewerten und daraus tatsächlich neues relevantes Wissen zu generieren. Diese Erkenntnisse sind nicht zwingend neu. Um diesen Entwicklungen zu begegnen wurde der Begriff des «Wissensmanagements» schon in den späten 1990er Jahren geprägt. Grundsätzlich können beim Wissensmanagement zwei Strategien zur Weitergabe des Wissens verfolgt werden:
- Mangement of Information: Es wird davon ausgegangen, dass sich Wissen stets wieder explizieren und in Daten speichern lässt (mit Hilfe klassischer Informationstechnologie). Dies ist zum Beispiel dann der Fall wenn Organisationen Prozesse beschreiben und schriftlich festhalten.
- Management of People: Hier liegt der Fokus stärker auf der Förderung des Wissensaustauschs zwischen Menschen durch Kommunikation. Diese Massnahmen (z.B. Workshops, Story Telling, Fallstudienarbeit) brauchen nicht zwingend Informationstechnologie. Um bei einem einfachen Beispiel zu bleiben: es kommt ja nicht von ungefähr, dass man versucht beim Wechsel von Mitarbeitenden die Nachfolger adäquat durch die Vorgänger einzuarbeiten. Weiter beinhaltet dieser Ansatz natürlich auch den Aspekt, relevante Wissensträger möglichst lange in der Organisation und bei Laune zu halten.
Heute wissen wir, dass insbesondere der direkte Austausch zwischen Personen notwendig ist, um «Wissen» zwischen Menschen transferieren zu können (Management of People). Partizipatives, kooperatives und kollektives Lernen lassen sich kaum durch digital bereitgestellte Informationen ersetzen.
Die «lernende Organisation» tut daher gut daran, den Dreiklang von Mensch – Organisation – Technik im Auge zu behalten. Denn, Wissen an sich lässt sich gar nicht wirklich «managen», es existiert in seiner engen Definition ausschliesslich in den Köpfen der Menschen. Aber über die 3 Faktoren lassen sich zumindest gute Bedingungen für die Wissensarbeit schaffen.
Wissensarbeit
Dimension Mensch
Der Anteil an Menschen, die wissensbasierte Tätigkeiten ausüben, ist stark steigend. Diese Wissensarbeit verlangt von den Betroffenen, dass sie ihre Arbeitsressource Wissen ständig überprüfen und bei Bedarf erweitern, dass sie selber evaluieren, welches Wissen sie entwickeln müssen, um ein Problem zu lösen, und vor allem, dass sie auch selber für die Qualität der Lösung verantwortlich sind. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, brauchen Wissensarbeitende drei Elemente:[4]
- Den notwendigen Handlungsspielraum
- Eine gewisse Entscheidungsautonomie
- Innere Motivation
Erst durch diese Elemente können kompetenzfördernde Arbeitsplätze entstehen und der Umgang mit Wissensarbeitenden als Kapital der Organisation erkannt und daraus Nutzen gezogen werden.
Bei der Frage, welche Hürden bestehen, um Kompetenzen/Kenntnisse zu entwickeln und produktiv in die Organisation einzubringen, antworten die Wissensarbeitenden oft, dass sei den relevanten Themen zu wenig Aufmerksamkeit[5] schenken zu können. Dies führt dazu, dass die Produktivität der Wissensarbeitenden leidet. Gründe dafür sind ständige Unterbrechungen bei der Arbeit, nicht notwendige Sitzungen, E-Mail-Flut etc.
Dimension Organisation
Für Organisationen haben die Ausführungen oben wesentliche Konsequenzen. Die traditionellen Strukturmodelle mit hierarchischer Führung werden dadurch zunehmend in Frage gestellt: In einer wissensintensiven Organisation ist Hierarchie keine Legitimation für Führung mehr und Mitarbeitende müssen zunehmend ihre Arbeit selbst organisieren und können sie nur selbst organisieren.
Allerdings ist auch festzuhalten, dass diese Konsequenzen den Verantwortlichen in den Organisationen auch zunehmdend bewusst ist. Ein Grossteil der Führungskräfte will die heute wichtigste strategische Ressource, nämlich Wissen, effizient nutzen und deshalb die Wissensarbeit fördern. Damit ist auch die vestärkte Teamorientierung und die Einführung agiler Organisationsformen verbunden.
Die agilen Organisationsformen sind darauf ausgerichtet, dass man in einem dynamischen Umfeld gar nicht mehr so gut und soweit voraus planen kann, wie dies die klassischen Organisationsformen eigentlich erfordern würden. Dabei wird einerseits berücksichtigt, dass sich die Anforderungen an die Leistungen der Organisation rascher verändern als früher aber auch, dass bei der Problemlösung ein Lernprozess und Erkenntnisgewinn stattfindet.
Dimension Technik
Eine optimale technische Infrastruktur (bzw. der reine Ansatz des «Management of Information») ist keine hinreichende Bedingung um Wissensarbeit genügend zu fördern. Aber natürlich ist die technische Unterstützung der Wissensarbeitenden zwingend notwendig.
Die Studie von Hays zeigt unter anderem auf, dass Wissensarbeitende 36% ihrer Arbeitszeit mit reinen Routinetätigkeiten verbringen. Vor diesem Hintergrund erscheint die von den Fach- und Führungskräften gleichermassen geforderte Modernisierung der IT-Infrastruktur notwendig, um gerade die standardisierten Anteile der Arbeit zu automatisieren oder zumindest angemessen zu unterstützen. Tatsächlich umfasst die Dimension Technik zahlreiche (aber nicht alle) Elemente der digitalen Transformation der Arbeitswelt.
Dass es auch anders geht, zeigt die niederländische Pflegeorganisation «Buurtzorg»[6]. Sie arbeitet nach agilen Methoden in selbstorganisierten Teams von 10 bis 15 Personen, die optimal von einer zentralen Softwarelösung unterstützt werden. SRF-Korrespondentin Elsbeth Gugger hat einen Pflegefachmann von Buurtzoorg einen Tag lang begleitet: «Wir waren bei einer älteren Frau mit einer Wunde, die täglich gereinigt und neu verbunden werden musste.» Der Pfleger habe danach sein iPad gezückt, einige Male über den Schirm gewischt, und schon habe das Programm gewusst, was er gerade erledigt hatte. «Dann musste er noch neues Verbandsmaterial bestellen.» Das Ganze habe nicht mehr als zwei Minuten gedauert. Dafür habe der Pfleger danach noch Zeit gehabt, um mit der Frau eine Tasse Kaffee zu trinken. Zum Vergleich: «In der Schweiz muss eine Spitex-Angestellte nach jedem Besuch einen kurzen Rapport schreiben», weiss Gugger. «Das dauert mindestens fünf Minuten.» Viel Zeit für eine Tasse Kaffee bleibe da nicht. [7]
Andere Organisationen verzichten beispielsweise seit längerer Zeit auf den internen E-Mailversand. Dies aus zwei Gründen: die Mailflut hindert die Produktivität und Mails sind technisch eine schlechte Lösung für die Kooperation in Teams. Die Mails werden ersetzt durch direkte Gespräche von Angesicht zu Angesicht und/oder durch geeignetere Software die tatsächlich digitale Kooperation ermöglicht. Die Funktionen solcher integrierter Lösungen umfassen zum Beispiel: Themengetrennte organisierte Unterhaltungen (Channels), Videoanrufe, Messengerdienste, das Teilen von Bildschirminhalten zur Kooperation, Archiv- und Suchfunktionen, das Teilen und einbetten von Dateibeständen und oftmals auch Schnittstellen zu weiteren Softwaretools.
Fazit
Wenn Organisationen Wissen als die relevante strategische Ressource identifiziert haben, muss es ihnen gelingen das System Wissensarbeit in den Dimensionen Mensch – Organisation – Technik zu fördern. Dabei muss Vertrauen in die Mitarbeitenden an erster Stelle stehen. Die traditionellen Rollen von Führungskräften müssen dabei nicht komplett in Frage gestellt, aber sicher überdacht und angepasst werden. Agile Organisationsformen bieten zudem Ansätze, um die Selbstverantwortung der Wissensarbeitenden weiter zu steigern und das System adaptiver für Anpassungsdruck aus dem Umfeld der Organisation zu machen. Die technische Unterstützung der Mitarbeitenden ist ein weiteres zentrales Element um die Kooperation zu fördern und die Entwicklung neuen Wissens zu ermöglichen.
[1] Mercedes Bunz; Die stille Revolution: wie Algorithmen Wissen, Arbeit, Öffentlichkeit und Politik verändern, ohne dabei viel Lärm zu machen
[2] Ursula Hasler, Studienbuch Wissensmanagement, 2013
[3] Güldenberg, S.: Wissensmanagement und Wissenscontrolling in lernenden Organisationen. Schriftenreihe für Controlling und Unternehmensführung. Edition Österreichisches Controller Institut. Wiesbaden 2003
[4] Ursula Hasler, Studienbuch Wissensmanagement, 2013
[5] studie «Wissensarbeit im Wandel» von Pierre Audoin Consultants, der Gesellschaft für Wissensmanagement und Hays aus 2017
[7] https://www.srf.ch/news/international/pflegesystem-buurtzorg-revolutionieren-die-niederlaender-die-spitex