Kontakt
Newsletter

„Lernerfolg und -transfer: Wie messen?“ von Gastautor Kuno Roth

Mathematische Werkzeuge, Messgeräte

Die B’VM freut sich, mit Kuno Roth einen ersten Gastblogger zu begrüssen. Als Co-Präsident einer NPO und selbständiger Berater teilt er hier seine Erfahrungen im Bereich des organisationalen Lernens mit Ihnen.


Wie war er? Was war gut, was weniger? Wie war die Kursleitung auf einer Skala von 1 bis 10? – und so weiter: Am Schluss eines Kurses folgt dessen Auswertung stets auf dem Fuss.

Solche Output-Messungen gehen von der Annahme aus, kommt ein Kurs gut an, dass er die gewünschte Wirkung in der Praxis entfalten wird. Ein Trugschluss. Meistens. Denn die Forschung (1) zeigt, dass es praktisch keine Korrelation gibt zwischen der unmittelbaren Beurteilung eines Kurses und seiner langfristigen Wirkung, also dem Transfer des Gelernten in die Praxis. Und forscht man in seinen eigenen Erfahrungen, weiss man: Was du nicht anwendest, vergisst du wieder – man hätte sich also den Kurs ersparen können. Denn auf die Wirkung danach in der Praxis kommt es an: In meiner letzten Kolumne «Lernen von Seinesgleichen» versuchte ich zu zeigen, dass diese Wirkung erheblich verstärkt werden kann. Indem sich zwei Abgänger:innen als Peer-Learning-Paar zusammentun, stützen sie sich gegenseitig und erhöhen so den Transfer in die Praxis. 

In dieser Kolumne folgt nun die Frage, wie man denn messen kann, ob und wie viel Transfer stattfindet. Unter Lerntransfer versteht man dabei, inwieweit neu Gelerntes wie eine Fähigkeit, ein Tool oder eine Technik in den beruflichen Alltag übertragen und angewendet werden kann. Doch wie misst man Lerneffekte und Wirkungen? Diese können ja nicht wie ein Gewicht oder eine Temperatur direkt und absolut gemessen werden; sondern sie drücken sich in nicht direkt messbarer Veränderung von Verhalten aus. 

Davon später; zuerst ein paar Worte zur Theorie: Die Forschung zur Wirkung betrieblicher Weiterbildung wurde wegweisend von Donald Kirkpatrick begründet (Wikipedia), der 1959 das nach ihm benannte Modell zur Wirkungsmessung von Ausbildungen und Kursen publizierte. Es ist vierstufig (visualisiert z.B. in dieser Grafik):

  • Auf Stufe 1 wird von den Teilnehmer:innen ein Feedback eingeholt: Die unmittelbare «Reaktion».
  • Auf Stufe 2 erfolgt eine Wissensabfrage nach dem Kurs z.B. als Test oder Quiz zu den «Lerninhalten». 
  • Stufe 3 beinhaltet besagten Lerntransfer in die Praxis: Gibt es Änderungen im «Verhalten»? 
  • Auf Stufe 4 geht es um die langfristigen «Resultate», also die Wirkungen in der Aussenwelt, wie z.B. mehr Umsatz für eine Firma oder gesellschaftliche Wirkung einer NGO. 

Unklare Zuständigkeit auf Stufe 3 ist Teil des Problems

Kirkpatrick’s Lehre gemäss sollten auf jeder Stufe Wirkungsmessungen erfolgen, doch in der Praxis geschieht dies meistens nur auf den Stufen 1 und 2 – also unmittelbar am Kursende. Das ist am einfachsten zu haben, nur sagt es eben nicht viel aus. Der Grund, warum auf der eigentlich relevanten Stufe 3 kaum gemessen wird, ist der höhere Aufwand und die Frage der Zuständigkeit, die von der Ausbildnerin zum Betrieb wechselt, wo oft nicht klar ist, wer zuständig ist. Dabei ist es eben dieser Transfer, woran sich letztlich die Wirksamkeit der Investitionen in Weiterbildung misst. Dieser ist Voraussetzung dafür, damit das eigentlich Gewünschte auf Stufe 4 geschehen kann: Eine Verbesserung des Ergebnisses einer Firma, eines Projektes oder einer Kampagne. Der «Return on Learning Investment», sozusagen.

Kirkpatrick’s Modell ist ein lineares Modell, das suggeriert, wenn Stufe 1 und 2 gute Ergebnisse bringen, ebensolches auf den weiteren Stufen geschehen werde, was aber wie gesagt nicht automatisch der Fall ist. Trotzdem ist es nützlich, um sich des ganzen Lernprozesses bewusst zu werden. Ausserdem haben es seine Kinder durch verstärkte Prozessorientierung verbessert. Es heisst nun New Kirkpatrick – mit u.a. folgenden Mehrwerten (siehe Graphik unten): 

  • Fragt man auf Stufe 2 nicht nur das gelernte Wissen ab, sondern auch, ob die Kursabgänger:innen zuversichtlich sind, das Gelernte übertragen zu können (‘Confidence’) und ob sie bereit sind, das Gelernte anzuwenden (‚Commitment‘), kann die Wahrscheinlichkeit eines Transfers eingeschätzt werden: «Je höher Zuversicht und Bereitschaft desto Transfer».
  • New Kirkpatrick nimmt die Stufe 4 zum Ausgangspunkt, Weiterbildungsmassnahmen festzulegen. Man zäumt also das Pferd von hinten auf und fragt sich, welche Kapazitäten, Fähigkeiten, Teamgeist oder welches Knowhow es braucht, um die gewünschten Betriebsresultate zu erreichen. Oder im Fall der NGOs: Welche gesellschaftliche Änderung wird angestrebt? Und was braucht es innerbetrieblich für Voraussetzungen dafür? Und folglich: Wie können Campaigner, Projektleiterinnen oder Teams die nötigen Kompetenzen erlangen und in der Praxis anwenden? 
  • Diese Lern- und Transferprozesse werden begleitet und überprüft; aber nicht als Kontrolle, sondern zusammen mit den Beteiligten, damit sie wahrscheinlicher erreichen, was sie selber wollen. 
  • Unterstützungen wie Ermutigung (encourage, z.B. Zeit zum Ausprobieren), Belohnung (reward; z.B. Anerkennung im Team) und Verstärkung (reinforcement; z.B. Peer-Support oder Mentoring) verstärken den Lerntransfer erheblich. Und werden Weiterbildungsmassnahmen zusammen abgemacht, können solche Transferangebote von Anfang an in den Prozess miteinbezogen werden (siehe «Toolkit for Learning Transfer»). 

Und wie misst man nun? 

Normalerweise mit einem Fragebogen, mit dem man nach verschiedenen Zeiten – 3, 6, 9, und/oder 12 Monate – erhebt, wie die Kursabgänger:innen in der Selbstbeurteilung und im Urteil ihres Umfeldes, welche Teile des Gelernten umsetzen und wo sie scheitern. Das ist sehr aufwändig (siehe Fussnote (1B)). Weniger aufwändig sind Fokusgruppen oder Interviews, also die Erhebung qualitativer Daten, mit welchen man zwar nicht misst, aber ein gutes Gefühl und ein Bild davon bekommt, was funktioniert und was nicht. Fragebögen und Ratings gibt es sowieso eher zu viele.

Fazit: Ein Bewusstsein für Lernmethoden zu entwickeln, ist für Kampagnenarbeit von grosser Relevanz. Zumal ja Kampagnen gesellschaftliche Lerninterventionen sind, denn jeder (gewünschten) Änderung unterliegt ein Lernprozess. Doch auch bei Kampagnen erfolgt die Messung von ihren Wirkungen oft nur bis Stufe 2, indem man z.B. unmittelbar nach einer Aktivität oder Publikation die Medienresonanz auswertet oder Rückmeldungen einholt. Das ist gut, genügt aber nicht. Für den eigentlichen Transfer und die Wirkungsmessung sind oft die Ressourcen nicht eingeplant.


PS: Im Zuge der Digitalisierung findet betriebliche Weiterbildung zunehmend online statt, wofür sogenannte Learning Management Systems (LMS) eingesetzt werden. Dies birgt zwei Gefahren: 

  • Dass man sich nun durch viele, viele Lerninhalte klickt. In der Meinung, das sei effizient, gibt man so der Quantität gegenüber der Qualität Vorrang. Aber «zeitsparend-effizient» lernen geht nicht. Lernen verkommt zum Surfen; doch haften bleibt nur, was man anwendet.
  • Auf Stufe 3 verstärkt sich online die Problematik des mangelnden Transfers, namentlich beim interpersonalen Lernen wie Teambildung, Feedbackgeben, Projektleitung oder Leadership. Solche Lerninhalte brauchen Hybrid-Angebote, on- und offline. Denn Knowhow und Kompetenz können nicht theoretisch erworben werden.

Und die Chancen sind: LMS haben unschlagbare Vorteile, wie etwa die Individualisierung von Inhalten und Lerntempi, videobasierte Tutorials oder die einfache Erfassung des Lernerfolgs auf Kirkpatrick Stufe 1 und 2.  Und wird Lernen als Lernreise (learning journey) konzipiert und der Praxistransfer im LMS eingefädelt, kann der Trend zum selbstorganisierten Lernen genutzt werden.

(1) z.B.: A) «Der Mythos Wirkungskette in der Weiterbildung – empirische Prüfung der Wirkungsannahmen im Four Levels Evaluation Model von Donald Kirkpatrick»;  Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (2011) B) «Wie Weiterbildung messbar wird», Gesellschaft für angewandte Berufsbildungsforschung (2018)


Holen Sie sich Expertenwissen!

7 praxiserprobte Kooperationsformen
für Ihre Organisation

Jetzt PDF herunterladen:
Über neue Zusammenarbeitsformen erfahren
und von fundierten Erkenntnissen profitieren.

Weitere Beiträge

Damit mit der Kollegin nicht auch ihr Knowhow geht – Knowhow-Transfer 1/2

Es ist für eine Organisation ein Gewinn, ihr Knowhow systematisch zu pflegen. Er ist noch grösser, ist sie sich dabei bewusst, dass es nicht nur um Wissen, sondern auch um personengebundenes Knowhow geht, sowie um dessen Transfer, wenn jemand geht.

Nachfolgeplanung in Vorständen und Stiftungsräten – eine strategische Frage

Planen wir die Erneuerung der strategischen Führungsorgane strategisch und systematisch oder überlassen wir dies dem Zufall bzw. persönlichen Entscheidungen Einzelner? Darf eine NPO diese Frage überhaupt aufwerfen oder vergrault sie damit die verbleibenden Ehrenamtlichen?

Wirkungsmessung – Herausforderungen in der Praxis 

Rückblick auf einen Austausch anlässlich einer Schulung von 35 Organisationen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen.

visuelle Zusammenfassung B'VM Fachgespräch 2024
Wie weiter nach der Krise? 

Am diesjährigen B’VM Fachgespräch vom 29. August 2024 in Bern, trafen sich Führungskräfte von verschiedensten NPO, um gemeinsam über praktische Lösungsansätze in Krisenzeiten zu diskutieren.

Diversität und Inklusion

Jenseits von Diversitywashing und Mission Strategiearbeit in Vereinen – neun Grundfähigkeiten als Gelingensvoraussetzung. Keine NGO, die sich nicht auf die Fahne geschrieben hätte - oder ins Personalreglement -, dass ihr Arbeitsumfeld inklusiv und die Diversität darin hoch sein soll.

Wir bauen Brücken zwischen der Wissenschaft und der Praxis  

Die B’VM im Interview mit Philipp Erpf, Direktor und Verantwortlicher für die Weiterbildung beim VMI

Job
Team Hände
Präsidium im Ehrenamt

Der Verein ALS Schweiz ist eine schweizweit agierende gemeinnützige Organisation für Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Infolge des Ablaufes der Amtszeit unseres Präsidenten suchen wir per Mai 2025 ein Präsidium im Ehrenamt (ca. 200 Std. / Jahr) Fühlen Sie sich angesprochen?

Mitgliederbefragungen als strategisches Element

Die Bedürfnisse der Mitglieder zu kennen ist wichtig, denn sie bilden das Fundament für das Profil bzw. die Positionierung Ihrer Organisation. Mitgliederbefragungen machen diese Bedürfnisse sichtbar, wenn die richtigen Fragen richtig gestellt werden.

Das 90 Grad Feedback für Führungskräfte – ein wichtiger Beitrag zur Führungskräfteentwicklung

Das 90 Grad Führungskräfte-Feedback ist ein wichtiges Instrument für die persönliche Weiterentwicklung von Führungskräften. Sie trägt langfristig zur Verbesserung der Unternehmenskultur bei und hilft – richtig angewendet – Führungskräfte und Mitarbeitende an Ihre Organisation zu binden.

Unternehmenskultur nachhaltig verändern – mit “Appreciative Inquiry Summits“

Veränderungen wertschätzend und ressourcenorientiert im Team planen und Ihre Organisation nachhaltig verändern.

Wir sind gerne für Sie da

Nutzen Sie das Kontaktformular, schreiben Sie uns eine E-Mail oder rufen Sie einfach kurz an.

Schweiz

Deutschland

Österreich

Kontaktformular

Newsletter